Sinn finden in der Krise

Was Prof. Frankl dazu sagte…

  

In kaum einem anderen Land als in Österreich ist die Tatsache zu

sehen, dass auch mehr „Licht“ auftaucht, je dunkler es ist.

Und so steht ausgerechnet in diesem Land das Dreigestirn Prof. Sigmund Freud, Prof. Viktor E. Frankl und Prof. Erwin Ringel am psychotherapeutischen Himmel, wobei Viktor Frankl als Extremspezialist für die Sinnfindung in allerbedrohlichsten Lebenssituationen hervorstrahlt und uns gerade heute großen Dienst erweisen kann.

 

Selbst drei Jahre in vier KZ’s gerade noch überlebt, seine Familie ermordet, sein Haus in Wien zerstört und er selbst nach der Befreiung durch Typhus dem Tode geweiht, fand er in dieser seelischen „Dauerhölle“ seine später weltberühmte therapeutische Methode der Logotherapie (nicht zu verwechseln mit Logopädie). Bis heute sind seine Nachfolger durch ein Museum und Aufklärungszentrum in Wien in seinem Sinne international hoch engagiert und aktiv.

 

Sein weltberühmtes Buch und meisterhaftes Werk „Trotzdem JA zum Leben sagen“ wurde in 26 Sprachen übersetzt und 12 Millionen mal verkauft, ein Klassiker der Überlebens-Literatur. Wer den Mut hat es zu lesen, erhält neue Kraft, Trost und Orientierung auf einem „Erkundungsweg der menschlichen Willenskraft“. Die innere Konsequenz seiner Worttexte ist bestechend. z.B.:

  

Es kommt nicht darauf an,

                                     was wir vom Leben                                        sondern was das Leben

von uns erwartet!“

  

Frankl (1905-1997) formulierte, dass die Aufgaben im Leben nicht nur von Mensch zu Mensch, entsprechend der Einzigartigkeit jeder Person, sondern auch von Stunde zu Stunde, gemäß der Einmaligkeit jeder Situation wechseln.

 

Wer von uns hätte gedacht, dass wir heute akut vor so noch nie dagewesenen Lebenssituationen und Herausforderungen stehen, die wir uns vor vier Jahren nicht einmal annähernd auszudenken vermocht hätten! Fast müssen wir uns quasi neu erfinden, um damit umgehen zu können.

 

Recht bekannt ist der Satz von Frankl:

  

Wenn du die Situation nicht ändern kannst,

musst du dich selbst ändern!“

  

Damit übergibt er dem Menschen die Entscheidungsgewalt, nicht von äußeren Bedingungen abhängig zu sein, sondern die Verantwortung für diese eigenen Entscheidungen zu übernehmen.

  

Wer sein Schicksal für besiegelt hält,

 ist außerstande, es zu besiegen!“

 

Frankl ermutigt, ja fordert auf, zur Sinnfindung in schwierigsten Lebenslagen

und scheinbar ausweglosem Leiden. Nicht im DASS, sondern im WIE des Leidens liege der Sinn. Und der Sinn sei stets, ein ANDERER zu werden. Wir sollen wachsen, über uns selbst hinauswachsen. Und dies sei bis in den Tod möglich. Und es gäben erst die Ruinen den Blick frei für den Himmel.

 

Ja, das kennen wir: Dass „in der Mitte der Nacht“ der Tag begann, d.h. genau am Tiefpunkt der Krise der Wendepunkt erschien. Nicht da, wo wir aufgegeben, sondern wo wir uns er-geben haben. Ein innerer Unterschied. Sich er-geben (Elisabeth Kübler-Ross nennt es „anheim-geben“) bedeutet, sich der Situation voll und ganz stellen und bewusst erkennen, was sie von uns will.

 

Im KZ war Frankls Überlebensstrategie, von Moment zu Moment zu schauen, was das Leben JETZT von ihm forderte und darauf zu antworten durch entsprechendes Tun. Dies vermittelte er auch seinen Mitgefangenen, die bereits nicht mehr leben wollten. Die Frage war, wie sich der Mensch zu einer äußerlich erzwungenen Einschränkung in seinem Dasein verhält. So könne er einen bloßen Leidenszustand zu einer inneren Leistung gestalten und seinem Leben trotzdem Sinn geben.

 

Natürlich will der Mensch verhinderbares Leid verhindern, nach all seinen Kräften. Das nicht verhinderbare hingegen kann Geist und Seele zu menschlicher Größe führen. Dietrich Bonhoeffer ist ein weiteres Beispiel dafür. Er wirkt mit seiner Herzenskraft bis heute ungebrochen.

 

Totales Freisein von Leid kann also das Ziel nicht sein. Durch eine einseitige Ausrichtung auf die Minimierung von Spannung in unserem Leben leiden viele Menschen an einer Art psychischer Immunschwäche - in einer auf totale Bedürfnisbefriedigung abgestellten Konsumgesellschaft.

Und: Ohne die Ausrichtung auf hohe Ideale kann die Menschheit nicht überleben (Frankl).

 

Oder wie der verehrte Dr. Johann Loibner es formulierte:

„Den ganzen Weg gehen ohne das persönliche Kreuz… gibt es nicht.“

 

Auf diesem Weg eine sinnvolle Aufgabe zu haben, nämlich die innere Hingabe an eine Sache oder einen Mitmenschen, hilft beim Überleben und ist lt. Prof. Frankl durch diese Selbst-Transzendenz erst wirkliches MENSCHSEIN.

  

Wo die Gefahr ist, wächst das Rettende auch!“ (Hölderlin)

 

  

 

Carmen Wanko